HEINE, Heinrich, 1797–1856.


* HEINE, Heinrich, 1797–1856.

E.Br.m.U. “H. Heine.” Norderney 1.IX.1825. 3 S. 4°, eng beschrieben.



Wundervoller Brief an seinen Jugendfreund (Christian Sethe in Münster), den er, wie schon einige Tage zuvor, um Geld bittet: “… Nur so viel kann ich mich erinnern daß ich Dir vorige Woche in der verdrießlichsten Stimmung und in der allergrößten Eil’ geschrieben. Das Fährschiff war im Begriff abzusegeln, der Schiffer wartete bloß noch auf meinen Brief, ich wünschte mich selbst zum Henker, u kratzte was Zeug hielt. Ich hoffe daß Du aus meinem Geschreibsel klug geworden bist u daraus ersehen daß ich Dich um 6 Louisd’or anpumpen wollte …

Sey überzeugt daß ich Dir bei dieser Gelegenheit den größten Beweis meiner Freundschaft gebe, indem ich trotz mancher innern Regungen des Unmuths gegen Dich, mich dennoch in der Noth mit unbedingtem Vertrauen an Dich wende. Vergiß dieses nie, besonders wenn ich je in den Fall käme Dir einen Dienst leisten zu können, woran ich zweifle. Du verstehst mich.

O Christian, ich bin … heute in einer sehr weichen Stimmung und möchte von alten Dingen sprechen, von alter Wehmuth und neuer Thorheit, von bitterer Eseley und Süßigkeit des Schmerzes. Ich bin noch immer der alte Narr, der, wenn er kaum mit der Außenwelt Friede gemacht, gleich wieder von innern Kriegen geplagt wird. -Es ist ein mißmüthiges Wetter, ich höre nichts als das Brausen der See -O läg ich doch begraben unter den weißen Dünen. -Ich bin in meinen Wünschen sehr mäßig geworden. Einst wünschte ich begraben zu seyn unter einer Palme des Jordans, ---Das vermaladeit viele Abschiednehmen stimmt mich so weich, ganz in moll. Ich habe hier wunderschöne Tage gelebt, meine Privateitelkeit wurde von holden Pfötchen allerliebst gestreichelt, ich kam fast auf den Gedanken der Dr Heine sey wirklich höchst liebenswürdig, und ich schwelgte im Anschaun der schönen Dame in deren Nähe Du mich wiedersahest. Sie protegirte mich zuletzt gar sehr -und jetzt ist sie abgereist. Auch der Abschied von der Fürstinn Solms ist mir sauer geworden, wir waren so viel zusammen u wußten uns so hübsch zu necken. Sie lobte mich viel u Du weißt, Christian, das verfehlt nie seinen Eindruck.

Die hanövrischen Offizire hier haben mir nichts weniger als mißfallen. Sie haben nicht so viel Verstand wie die Preußen, aber sie sind honoriger, und unter der Uniform, die sie selten tragen, steckt ein Gentelman im feinsten Civilrock. Ich meine aber hier vorzüglich die Offizire die in der Legion gedient; u die von Spanien, Portugall, Irland, England, Sizilien, manche sogar von den jonischen Inseln u von Ostindien so viel hübsches und Wackeres zu erzählen wissen. Wie pauver klingt dagegen Jena, die Katzbach, Leipzig, Bellalianz, u gar Paris, die letzte Stazion unseres Ruhmes, wohin wir -Gott weiß wie! -gelangt sind. Still, still, ich will ja in Berlin lesen. -Bin selbst neugierig was das seyn wird …

Sobald ich nach Berlin komme werde ich wieder etwas herausgeben. Muß mich sehr hüten mit dem drucken lassen. Hab ja auch niemand der mir rathen kann. Meine jetzige Reise beschreib ich. Meine Harzreise hoffe ich Dir nächsten Monath zu schicken. -Leb wohl, werde kein Philister, behalte mich lieb, -Hol mich der Teufel ich werde sentimental …”

Heine arbeitete während seines Norderney-Aufenthalts an Gedichten und Prosatexten, die später in “Die Nordsee” aufgenommen wurden.

Säkularausgabe Band 20 Nr. 148.


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